Aus dem Archiv der Fleischer-Innung Bochum
Über 125 Jahre Fleischer-Innung Bochum (2006)
Die Fleischerinnungen bilden die Basisorganisation des Fleischerhandwerks in Deutschland. Sie stellen den Zusammenschluss selbständiger Fleischermeister eines Bezirks dar.
Die Bildung einer Innung ist freiwillig - ebenso die Mitgliedschaft in ihr.
Innungen haben eine Vielzahl von Aufgaben und Funktionen, die in der Handwerksordnung, dem "Grundgesetz der Handwerker", niedergelegt sind. So regelt die Fleischerinnung zum Beispiel das Lehrlings- und Gesellenprüfungswesen und die Meisterniederlassungsbestimmungen. Sie sorgt für die Aus- und Weiterbildung und fördert somit das Können der Lehrlinge, Gesellen und Meister. Darüber hinaus sind Innungen und Verbände mittlerweile umfassende Dienstleister nach innen wie auch gegenüber der Öffentlichkeit.
Die Rechtsform der Innungen ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie stehen unter der Rechtsaufsicht der jeweiligen Handwerkskammer. Geführt wird die Innung ehrenamtlich von einem Obermeister, der durch die Fleischermeister gewählt wird, die der Innung angehören.
Hervorgegangen sind die Innungen im vorigen Jahrhundert aus den Zünften, die zum Teil auf eine mehr als 800 Jahre alte Tradition zurückblicken können. Die Handwerker gründeten Innungen, um ihre gemeinsamen Interessen zu fördern und diese auch gegenüber den gesamtgewerblichen und gesellschaftlichen Interessen zu wahren und zu vertreten.
Im Fleischerhandwerk ging die Gründung des gesamtdeutschen Fleischer-Verbandes als Spitzenorganisation 1875 voraus. In Bochum schlossen sich die selbstständigen Fleischermeister der Stadt dann im Jahre 1881 zur Freien Fleischer-Innung Bochum zusammen. Bis zur endgültigen Festlegung der Statuten durch die Versammlung am 24. November 1881 waren seinerzeit aber bereits über drei Jahre der Vorbereitung vergangen. Die Abteilung des Innern der damaligen königlichen Regierung zu Arnsberg genehmigte dieses erste Statut der Fleischer-Innung zu Bochum dann offiziell am 3. Dezember 1881.
Bochum bestand zu dieser Zeit nur aus dem heutigen Kern der Altstadt und hatte etwa 35.000 Einwohner. Der Oberbürgermeister hieß Bollmann und war sehr bemüht, sowohl die Gründung der Innungen voranzutreiben als auch in ihnen mitzuwirken. So auch in der Fleischer-Innung Bochum. Bollmann hat in den Anfängen zu den Versammlungen eingeladen, diese geleitet und sogar Funktionen übernommen wie den Vorsitz des Prüfungs-ausschusses.
Und so war es auch der Oberbürgermeister, der die Fleischer zur ersten Generalversammlung und zur Konstituierung am 21.12.1881 einlud. Es erschienen 23 Mitglieder, die dann Wilhelm Paas zum ersten Obermeister der Fleischer-Innung Bochum wählten.
Es folgen 125 abwechslungsreiche Jahre, die eine Vielzahl von Veränderungen, zwei Weltkriege, rasanten Fortschritt und steten gesellschaftlichen Wandel gebracht haben.
In dieser langen Zeit ist auch in unserer Innung viel geschehen. Durch das Wachstum der Stadt Bochum stieg sukzessive die Anzahl der fleischerhandwerklichen Innungsbetriebe bis auf den Höchststand von 212 im Jahre 1966 an. Leider reduzierte sich diese Zahl in der Folge aber kontinuierlich bis zum heutigen Tag. Die Gründe hierfür sind viefältig. Grundlegende Veränderungen des Marktes durch das Entstehen der Supermärkte, später der Discounter, aber auch Veränderungen der Verzehrgewohnheiten durch Fast Food, Imbiss, Tiefkühlgerichte etc. sind hier zunächst zu nennen. Aber auch die Veränderungen in unserer Gesellschaft wie Geburtenrückgang, Verkleinerung der Haushalte, Berufstätigkeit von Mann und Frau spielen mit Sicherheit eine große Rolle. Und nicht zuletzt hat die Branche auch ein Nachfolgeproblem, was oftmals dazu führt, dass selbst gutgehende Fleischer-Fachgeschäfte heute nicht mehr weitergeführt werden können.
Auch der Anschluss der Fleischer-Innung Wattenscheid an die Fleischer-Innung Bochum im Jahre 1973 konnte diese allgemeine Entwicklung nicht aufhalten.
22 Obermeister haben die Geschicke der Fleischer-Innung Bochum bisher in die Hand genommen und dafür gesorgt, dass die Innung in all den Jahren in vielen Bereichen immer aktiv war - zu allererst natürlich als Dienstleister für ihre Mitglieder. Doch auch auf anderen Feldern wurde viel getan. So wurde bereits im Jahre 1911 eine eigene Gesangsabteilung gegründet, die bis in die späten 90er Jahre zu vielen Anlässen und Feierlichkeiten traditionelles Liedgut zum Besten gab.
Darüber hinaus gründete man im Jahre 1958 zusammen mit den Bäckern sogar eine eigene Karnevalsgesellschaft, die "Wurstbrötchengarde", die jahrzehntelang die Handwerker mit ihrem närrischen Treiben und großen Bällen in der fünften Jahreszeit erfreute.
Aber die Fleischer können nicht nur feiern. Ein starkes Augenmerk wurde vor allem auch auf den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit gelegt. In den 70er- und 80er Jahren wurden zahlreiche Aktionen durchgeführt, die stets ein großes Medienecho hervorriefen. Die längste gegrillte Bratwurst der Welt mit Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde oder die Erfindung und Vermarktung der runden Wurst ohne Ende seien hier nur beispielhaft genannt für die hervorragenden Leistungen des damaligen Ehrenamtes.
Auch das große Engagemant des Bochumer Fleischerhandwerks im Bereich der Lehrlingsausbildung verdient an dieser Stelle Beachtung. In den 125 Jahren des Bestehens der Innung wurden tausende von Lehrlingen ausgebildet. Die genaue Zahl konnte leider nicht eruiert werden, jedoch wurden alleine in den Jahren 1996 bis 2005, bei schon deutlich gesunkener Anzahl von Innungsbetrieben, immerhin noch 358 junge Männer und Frauen als Fleischer oder Verkäuferinnnen ausgebildet. Dies ist ein Beweis dafür, dass sich das Fleischerhandwerk ebenso wie das Gesamthandwerk seinen gesellschaftspolitischen Verpflichtungen bewusst ist und diesen auch tatsächlich nachkommt.
Das Fleischerhandwerk besinnt sich noch heute stark auf seine Traditionen und pflegt deren Werte. Aber der Wandel der Zeit ging auch an den Fleischereien nicht spurlos vorbei. Auch hier hielten Technisierung und Rationalisierung immer mehr Einzug. Die Anpassung an die Anforderungen des Marktes waren unausweichlich und so entwickelten sich die Fleischereien vom traditionellen Nahversorger mit Fleisch und Wurstwaren zum modernen Fleischer-Fachgeschäft, das in aller Regel sein Angebotsspektrum erheblich erweitert hat. Neben der heute obligatorischen Veredelung von Fleischprodukten und der Herstellung eigener Wurstwaren nach traditionellen Rezepturen in Spitzenqualität gehört vielfach auch das Angebot von internationalen Spezialitäten und Delikatessen zum Standard. Auch werden oftmals Feinkostprodukte aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel Käse, Wein, Nudeln etc. angeboten.
Aber damit nicht genug. Hausgemachte verzehrfertige Speisen, herzhafte Eintöpfe oder eventuell ein Fleischerimbiss oder eine heiße Theke bieten dem Verbraucher eine schmackhafte und gesunde Alternative zu Tiefkühlpizza oder faden Burgern, die dazu auch noch jedem Preisvergleich mit Fast-Food Produkten standhält.
Last but not least gehört ein leistungsstarker Party-Service heute zum Standard-Repertoire fast jeder Fleischerei. Aber auch Begriffe wie rollender Mittagstisch, Catering oder Event-Management sind für immer mehr Innungsbetriebe längst keine Fremdworte mehr.
Es ist schon erstaunlich, welchen Wandel und welche Entwicklung das Fleischerhandwerk in seiner Geschichte erlebt hat. Doch in all den Jahren, in guten wie auch in schlechten Zeiten, lag den Bochumer Fleischer-Fachgeschäften eines immer am Herzen - die Versorgung der Bochumer Bevölkerung mit hochwertigem Fleisch und traditionell hergestellter Wurst.
Und die Individualität eines jeden Fleischermeisters macht hierbei sowohl den Unterschied als auch die Vielfalt aus. Geniessen Sie diesen Unterschied.
Gott schütze und segne das ehrbare Handwerk!
Liste der Obermeister der Fleischer-Innung Bochum von 1881 bis heute
Nr. / Amtszeit / Name
01 21.12.1881 bis 29.09.1887 Wilhelm Paas
02 29.09.1887 bis 16.10.1889 Wilhelm Krüsmann
03 16.10.1889 bis Okt. 1891 Carl Kuhstoß
04 Okt. 1891 bis 05.10.1893 Wilhelm Paas
05 05.10.1893 bis 15.03.1900 Wilhelm Krüsmann
06 15.03.1900 bis 03.04.1913 Carl Flümann
07 03.04.1913 bis 30.08.1923 Johann Weßling
08 30.08.1923 bis 26.11.1925 Carl Döhmann
09 26.11.1925 bis 02.05.1929 Wilhelm Thomas
10 02.05.1929 bis 03.08.1933 Fritz Magnus
11 03.08.1933 bis 07.11.1938 Willy Jacobs
12 07.11.1938 bis 17.09.1939 Rudolf Hermes
13 17.09.1939 bis Febr. 1942 Willy Jacobs
14 Febr. 1942 bis Mai 1945 Rudolf Hermes
15 Mai 1945 bis März 1951 Ernst Küper
16 März 1951 bis 02.12.1954 Kurt Herberholz
17 02.12.1954 bis Dez. 1957 Rudolf Weiß
18 Dez. 1957 bis 23.04.1969 Paul Lanfermann
19 23.04.1969 bis 30.11.1978 Gustav Brinkmann
20 30.11.1978 bis 24.02.1999 Erwin Platzmann
21 24.02.1999 bis 29.04.2016 Volker Platzmann
22 24.05.2016 bis 31.12.2016 Bernd Kruse
Aus dem Archiv der Fleischer-Innung Ennepe-Ruhr
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